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wir haben den Frühling erwarten können
die Rinde des Himmels zerplatzt unbedingt
was uns gereizt hat wirkt dünn
und die Mäntel vom letzten Jahr spannen
die Hände von gestern herzen uns nicht
wie wir es wünschen. Die Finger zupfen
lieblos das Bett, der Tee zuckerfrei
es ist für Verzückung durch Raum nicht die Zeit
morgen werde ich Widerhall
die frühe Wärme näht ihre Flicken schwarz
in den weißen Grund
ein Mädchen im U-Bahn-Gedränge
legt um deinen Hals ihre Hand
anime
der Wespenleib wie eine heiße Knospe Tod
durch die Stadt gehen Mädchen und drehen nicht den Kopf
wir sind Kamikadzeflieger sind immer alles zuerst
verliebt unterm Kimono offen
die Finger feucht die Füße blutig gelaufen
wächst bald jeder Flicken Asphalt mit uns
die Viertel verschlagen wie Metastasen
kein Schlaf keine Messer bremsen das Gras
trunken umgreifst du die dünne Arme
kannst dich kaum halten – willst kurzerhand alles
bald ist Herbst man braucht Jazz
bald ist Herbst man kann zündeln mit Wahn
du siehst auf Zehenspitzen jede Trennung jeder
Baum jedes Knäuel Spinnennetz Bach
präpubertät schlampig dämonisch
wir sind impotent ja und wer von euch kann das?
ach schaut nicht so feindselig, ängstlich
bald ist Winter bald sind wir zugewachsen mit Nacht
ja das kann passieren ja das kommt wieder
weiße Panikpillen unter die Zunge nehmen
wir sind nicht Euklid aber haben Axiome
oder Theorien eher aber das ist nicht das Thema
man wünscht sich Exaktheit Ewigkeit Liebe
bald ist Frühling bald durchnagt uns das Tremor
wissen Sie ich habs geprüft wir sind alle sterblich
der Wespenleib wächst in das kalte Licht
Streifenrücken gekrümmt wir sind alle Kinder
Lilienweiß grausam süß rasend
Bald stecken wir bis an das Kinn im August
Bald kommt der endlose giftige Sommer
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halte dich an den Wind mein Lieber halt dich an den Wind
unsere Transparenz ist vergeblich und endlich durchlebt
jetzt lässt es sich fremdgehen die Tugend ward ausgeliebt
halte dich an den Wind mein Lieber halt dich an den Wind
halte sich an den Fluss mein Lieber halt dich an den Fluss
wir gehören seit jeher zusammen seit jeher auf ewig
solche wie uns hat es viele gegeben unzählig
halte dich an den Fluss mein Lieber halt dich an den Fluss
halte dich an die Saiten mein Lieber halt dich an die Saiten
wo ist die Stimme geblieben wir sind nur fahler Widerhall
im Himmelsstrom schwimmen wir ohne Gedanken und golden
halte dich an die Saiten mein Lieber halt dich an die Saiten
ich bin und du bist es ist etwas hundertmal heller
mich hat diese Zeit nicht verloren etwas besänftigter bin ich
mich hat diese Zeit nicht zermahlen etwas bestimmter bin ich
halte dich an die Stille mein Lieber halt dich an die Stille
wir sind solange wir Wunden und Mulden und Blumen sind
aus den Handflächen schlagen wir Feuer bekommen die Kinder
wir sind frei zu verlieren aufs Neue Verlorenes wieder zu fangen
halte dich an den Wind mein Lieber halt dich an den Wind
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hier der listige Dieb mit seinem Seidenfädchen
der Vogel auf roten bedächtigen Stelzen
im Herz dribbelt Angst wie ein Bällchen
der Dieb legt die Finger an deine Missachtung
der Dieb umkost dich du Vögelchen schlägt zu
du Wilderer, Caballero, gerissener Heuchler
ich bunt gekleidet und sommerlich leicht
wie nach solcher Beute nicht gieren nicht greifen
ein fremdes Flackern zupft schon am Flugdraht
du wolltest doch immer insgeheim wolltest du
Hand an den heißen fliegenden Körper legen
im Schilfgürtel zittert das Stengelgewirr
ein Zucken geschecktes Gefieder und Flaumwirbel
der Dieb trägt deinen Unmut zum Mund zu den Ohren
so schleppt er den Vogel durch Ohs nimmt den Mut
dir zu entfliehen mit verwundetem Flügel
ein gläsernes Blutperlchen rot der Quälgeist
springt aus dem Hanf hinters Halsband walkt dir die Venen
flicht dir im Schoß lange Stränge aus Glut
so freigebig streut sich die Lust unter Federn
steckt deinen Hals in die Schleife wir müssen jetzt gehen
in den finsteren Abgrund ein Vogel blitzt golden
aus dem Zyklus Nijinsky
verschließt die Kinderzimmer mit hundert Schlössern
verriegelt die Türen verstohlen kommt der Morgen
die weißen Frühjahrsrösser reißen an den Leinen
wenn du zauderst zu lange trödelst
erwacht schon die Kindheit stürzt fort
die weißen Puppen hängen an den Fäden
flinke Wachstumspfeile setzen Marken
Jagdhunde winseln verbeißen sich tief in die Waden
die Federn aus Kinderkissen für weichen Schlaf
zerreißen die Älteren mit ihren Zähnen
in jedem Gefängnis aus Rippen ein eigener Teufel
trotz Wolkenbruch raus auf die Treppe zum Garten
der weiße Hirsch und beständig ein schwarzer Schatten
bring deine Atemlampe ins Ziel lösch das Licht nicht
verfrüht. tanz sie alle zunichte
die Zeit hat die Jagdhunde üppig machen sie Beute
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die Spinnennetze geben Alarm ß Krieg es gibt Krieg.
mit zermürbendem Sirren erstürmen Insekten die Fenster.
was in dieser Welt war sommerlich stumm,
lebt hier noch immer, wird aber Tag für Tag dünner.
als hätte der Wind nur eines zu tun, Blüten fressen,
als hatten sich alle Elemente verschworen und würden
die labile Festung des lebenden Laubes zerstören
die Samenschirmchen in ihren Flug hinausstoßen.
als hätte alles nur so viel Kraft, in die Erde zu sinken,
zu schlafen schlafen – die eigene Zeit den eigenen Ort zu wissen
und wie weich die Erde ist weit nach innen und unermesslich.
weißt du´s nicht, dann lach nicht – sonst fressen dich die Steine.
diese Attacke – immer voll Niedertracht, jedes Mal in die Hoden,
in die zartesten Stiele, nein: Knospen,
in das Leben, das lebt, aus Angst nicht zu leben.
schau, es wird ein Krieg gegen die weißen Blüten geführt,
was fällt hier, findet sein Grab in den weichen blutigen Früchten.
Übersetzung Chrystyna Nazarkewytsch und Anja Utler
(first published im Literaturmagazin Radar 02/2010)